SchreibTrainingsKONZEPT – 3. Kinematische Trainingsfelder
Kinematische Trainingsfelder im Schriftspracherwerb
„Ohne Sprechen ist das ganz schön schwierig! Ich will erst den Baum zeichnen und ich weiß nicht, wohin Nina mit dem Stift will“, sagt Yvonne, am Ende der 2. Klasse., Grundschule nach einer Erfahrungsübung.
Beim TANDEM-SPUREN nehmen beide Kinder gemeinsam den Stift in die Hand und zeichnen nacheinander ein Haus, ein Herz und einen Baum. Dabei dürfen sie nicht sprechen oder andere Gesten machen. Anschließend wird reflektiert.
Jedes Kind hat seine eigene Vorstellung davon, wie ein Haus aussieht.
Aber wo fängt die Zeichnung an? Mit dem Dach, spitz oder flach, von links unten oder von oben?… Was kommt danach? Die Tür oder das Fenster … .
Mit dem Herz fällt die Vorausplanung leichter. Ist die Richtung erkannt, hilft die Assoziation über die Form und die Bewegung erfolgt vorausschauend und schnell. Ähnlich dann beim Baum.
Die gemeinsame Erkenntnis ist immer: Wenn die Absicht bezüglich des Bewegungsziels klar ist, kann die Bewegungsvorstellung leichter in eine Spurbewegung umgesetzt werden. Das Tandem-Spuren gelingt auch, wenn Buchstaben oder Wörter mit größeren Bewegungsradien geschrieben werden.
Der beginnende SchriftSpracherwerb ist der ideale Zeitpunkt, um die schreibmotorische Weichenstellung auf SchreibKontexte auszurichten und frühzeitig mit kinematischen Trainingsfeldern zu vernetzen. Anhand von neun exemplarisch beschriebenen Trainingsaufgaben werden insbesondere die Möglichkeiten der vorausschauenden Planung von Bewegungsabläufen aufgezeigt.
1. Buchstaben aus dem Bewegungsablauf erkennen
Aus der gelernten Buchstabenfolge werden zunächst z.B. S > A > M > O nacheinander diktiert und im Tandem geschrieben. Der Bewegungsablauf wird erinnert und eingegrenzt.
Dann wählt ein Partner eine andere Reihenfolge aus (z.B. M > S > O >A ) und die Buchstaben werden in der Größe im Bewegungsprofil variiert.
Nun muss blitzschnell vom Bewegungsbeginn auf den Zielbuchstaben geschlossen, der Bewegungsablauf vorausgeplant und schreibmotorisch schnell umgesetzt werden. Die Aufgabenstellung wird in einem weiteren Durchgang in Tempo und SchreibRhythmus variiert.
2. Die Reihenfolge beim Spuren antizipieren
Die Hand liegt auf dem Papier und zeichnet einen Punkt. Dann wird ein Spurmuster z.B. „Linien“ in drei Phasen aufgebaut und fortgesetzt.
– In Phase 1 werden die ersten vier Linien von außen nach innen gezeichnet.
– In Phase 2 werden jeweils weitere vier Linien (blau) im freien Segment gespurt.
– In Phase 3 kommen acht weitere Linien (rot) hinzu und das Linienmuster ist komplett.
„Profis setzen dann sehr schnell weitere Linien in die immer enger werdenden Segmente.
Andere Spurmuster für das Training sind “Zacken” und “Schlaufen”.
3. Die Reihenfolgen in Trainings-Pyramiden vorausplanen
Diese Pyramiden hat Leni, Anfang 3. Klasse, GS gespurt. Immer „eins“ weniger, übereinander und so schnell wie möglich. Ziel: Das letzte „Männchen“ soll die Arme ausbreiten, der Bewegungsablauf muss klar sein. Die leichten Varianten ergeben sich beim schnellen Spuren, sie sind gewollt und geben ein Gefühl für die Toleranzbereiche einer Form.
In der Trainingsaufgabe „Buchstaben“ sollte der Lieblingsbuchstabe so schnell wie möglich gespurt werden oder die „Fische“ sollten in wechselnde Richtungen schwimmen.
Bei den Fischen war der Bewegungsablauf durch die Links-Rechtsorientierung sichtlich schwieriger. Bei der Vorausplanung sollte daher auch der Schwierigkeitsgrad berücksichtigt werden. Es ist einfacher, wenn die Richtung erst nach einer Reihe gewechselt wird. Das Tempo nimmt dann in der Reihe wieder zu. Auch für Erwachsene ist es schwieriger, das Tempo und die Vorausplanung sofort zu ändern.
4. Gezielte Planung der Abfolge in Schritten, zuerst…, dann…
Leni sollte ein „Haus“ und ein „Schaf“ so planen, dass die Reihenfolge – schwarz, blau, braun, rot – farblich sichtbar wurde. Die Spureinheiten konnten selbst bestimmt werden.
Dieses „Zuerst“ und „Dann“ mit anschließendem Kommentieren des Spurverlaufs ist grundlegend, um die Vorausplanung zu trainieren und die schreibmotorisch effizienten Bewegungsabläufe gedanklich auf Buchstaben und Buchstabengruppen zu übertragen.
Leni schreibt z.B. das „E“ in ihrem Namen im 3-er-Rhythmus. Sie reflektiert den Ablauf: „Wie ein „L“ und noch zwei Striche“ und differenziert nach „I“ und „F“.
Eine Buchstabentabelle mit Anlautbild von A bis Z selbst zu erstellen macht nicht nur Spaß, sondern vertieft die Laut-Buchstaben-Beziehung nachhaltig. Das Prinzip der vorausschauenden Planung von Bewegungsabläufen erfolgt zunächst langsam und kontrolliert, dann immer schneller.
Die Buchstaben könnten auch wie bei „Leni“ im gewählten Schreibrhythmus farbig geschrieben und mit Pfeilen für die Bewegungsrichtung ergänzt werden.
5. Sprechbegleitende Bilder o.ä. entwickeln, mit vorausgeplanten Variationen spuren und Bewegungsabläufe mental trainieren
Zunächst wird eine einfache Ausgangsfigur z.B. „Smiley“ sprechbegleitend – („Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist …“) – auf das Papier gespurt und in einem zweiten Schritt (Beispiele 1 – 5 ) durch Vorausplanung gezielt verändert. Mögliche Variationen an Augen – Mund – Nase – Kopfform – Größe – werden im Detail benannt und dann gespurt.
Für das mentale Training wird eine Nummer ausgewählt und der Bewegungsablauf der Figur in Gedanken nachgespurt, mit geschlossenen Augen bzw. abgedeckt gespurt und miteinander verglichen. Es fällt leichter, wenn zunächst nur eine Variante, z.B. der Mund verändert wird.
6. Mit der beidhändigen Spurtechnik Bewegungsabläufe mental unterstützen
Eine Hand umfährt mit dem Zeigefinger langsam die Kontur eines Gegenstandes oder einer Abbildung. Gleichzeitig spurt die andere Hand den Bewegungsverlauf mit dem Stift nach. Die Augen bleiben während der Ausführung immer auf den sich bewegenden Zeigefinger gerichtet.
Nach einer Trainingsphase sollten dann nur noch die Augen die Konturen nachfahren und gleichzeitig mit der Schreibhand nachspuren.
Die im Kopf ablaufenden Bewegungsvorstellungen werden schließlich auf Buchstaben und Wörter übertragen.
7. Das mentale Lexikon für Laut-Buchstabenbeziehungen aufbauen und die Buchstaben schnell abrufen
Wenn Kinder lernen, Anlaute mit Bildvorlagen zu erschließen und zu festigen, sollten die Kontexte auf der phonetisch-phonologischen Sprachebene genutzt werden, um den zugehörigen Buchstaben sprachlich und schreibmotorisch zu entwickeln (Phonem-Graphembeziehung).
Der Anlaut /k/ in “Kamel“, „Kaktus“ kann leicht durch den Folgelaut /a/ isoliert und dann auch in „Kreide“ und „kritzeln“[K] herausgehört und geschrieben werden . Die Anlaute sollten dann grundsätzlich als Lösung [ ] geschrieben werden. Weterführende Fragen erweitern de aktiven Wortschatz: Wie heißt das Tier mit nur einem Höcker? > [D] Wo leben die Tiere? > [W] Was speichern die Tiere im Höcker? Hat jeder Kaktus Stacheln? Haben Rosen Dornen oder Stacheln?
Alle abgeleiteten Laut-Buchstaben-Beziehungen lassen sich vergleichbar erschließen, in einer Buchstabentabelle sammeln, die Bewegungsabläufe mit Pfeilen markieren und mit Anlautbild festigen. Mit Anlautbildern können z.B. die eigenen Namen als Geheimschrift gestaltet, dann lautiert (nicht buchstabiert) und die Buchstaben geschrieben werden.
Engel > /e/ >> E, Leiter > /l/ >> L, Igel > /i/ >> I, …
Die Buchstaben-Laut-Beziehung (Graphem-Phonem-Bezug) wird gefördert, wenn Buchstaben und Wörter z.B. “Leni” lautiert werden: /l/ wie Luftballon, /e/ wie Esel, /n/ wie Nase, /i/ wie Igel.
In diesen Phasen des Schrift-Spracherwerbs, in denen Lesen- und Schreibenlernen eng miteinander verzahnt sind, sollten Phasen der schreibmotorischen Festigung von Buchstaben zur Routine werden.
Ganz nebenbei erweitern und fördern alle Spurbewegungen der gezeichneten Anlautbilder das schreibmotorische Repertoire.
8. Bilder „worten“, Anlautbuchstaben schreibmotorisch abrufen
Das mentale Lexikon auf verschiedenen Sprachebenen erweitern und „worten“ ist eine unterhaltsame und effektive Sprachförderung. Die erschlossenen Wörter und Sätze z.B.:
/Astronaut, Leiter, steigen, klettern, Rakete, starten, Erde … /
Der Astronaut klettert in die Rakete. Er fliegt zurück zur Erde. Sie ist noch ganz weit weg,
werden zusätzlich schreibmotorisch gesichert und die mentale Strategie der motorischen Bewegung der Buchstaben dabei zunehmend ritualisiert.
9. Übungspläne zur Rechtschreibung erweitern
Übungspläne im Rechtschreiben sind eine effektive Methode um Wörter und Texte zu üben oder Wörter zu korrigieren und zu memorieren. Möglichkeiten für schreibmotorische Prozesse eine Auswahl:
- Sprich die Wörter deutlich und schreibe sie so auf: kleben – b, Luft – t
- Sprich das Wort leise vor dich hin und schreibe es dabei auf
- Sprich das Wort schneller und schreibe es schneller
- Sprich das Wort in Silben und schreibe es so: Ra – ke – te
- Schreibe jede Silbe schneller
- Lass dir das Wort von deinem Partner diktieren. Schau auf seinen Mund
- Flüstere das Wort hinter der vorgehaltenen Hand. Dein Partner soll es aufschreiben
- Schau das Wort genau an. Schließe die Augen und stelle es dir vor
- Decke das Wort ab und schreibe es auswendig
- Schreibe das Wort mit drei verschiedenen Farben immer schneller Kran, gießen, Haken
- Schreibe das Wort auf und spure für jeden Buchstaben einen schnellen Strich
- Schreibe das Wort. Setze für die Vokale einen Punkt: gr . . f . n
- Schreibe das Wort 3x und immer schneller
- Achte auf die Rechtschreibung und schreibe die Wörter immer schneller
- Baue das Wort auf oder ab, schreibe die Buchstaben schnell
- Schreibe Zeitwörter in der Ich-Form und in der Du-Form