HandSchriftTIPPS – 5. Handschriften sind nicht wiederholbar
Handschriften sind nicht exakt wiederholbar
Jedes Kind schreibt ein Wort, dann wird gewechselt.
Wie viele Kinder haben mitgemacht? Und wer hat was geschrieben?
(Lösung: Die Reihenfolge der Namen ist auch die Reihenfolge der Wörter)
Die individuelle und besondere Art des Schreibens – der so genannte Schreibduktus – ist augenfällig. Automatisierte Schriftmerkmale wie Neigung der Schrift, gleiche Buchstabentypen, Größe und Gleichmäßigkeit oder Raumaufteilung der Buchstaben kennzeichnen die persönliche Handschrift. Alle vier besuchen die 6. Klasse einer Realschule. Sie schreiben flott mit der rechten Hand, unverbunden, ermüdungsfrei, gut leserlich und mit Freude. Nach der Grundschule haben sie ihre Handschrift druckschriftnah umgestellt. Interessant ist, dass „Zita“ die Schreibneigung nach links beim „Z“ nicht übernimmt.
Fazit: Vier Kinder, vier Lernwege und für alle ein unnötiger Umweg.
Manuel, 12 Jahre, 6. Klasse Realschule, schreibt dreimal hintereinander „Kinder“:
Nur auf den ersten Blick sehen die Wörter gleich aus. Auffällig ist zum Beispiel das „K“. Die fragmentierte, sichtbare Buchstabenstruktur des „K“ schließt sich erst durch die immer konstant ausgeführte Luftbewegung (gelb markiert) zum geschlossenen Buchstaben. Die „grüne Lupe“ markiert einmal die Linksbewegung beim „i“ und in den Verbindungen von „e“ zum „r“ als typischen Schriftzug in drei gleichen Wörtern.
Die nebenstehende Grafik zeigt exemplarisch die kinematische Analyse der Geschwindigkeitsverläufe der drei Wörter von oben nach unten. Auffällig ist die hohe Wiederholgenauigkeit der automatisierten Schreibbewegung, aber auch die geringen bewegungsdynamischen Abweichungen in den Geschwindigkeitsverläufen.
Jede Schreibspur, so ähnlich sie oberflächlich betrachtet auch sein mag, unterscheidet sich in ihrer Tiefenstruktur. Sie ist der individuelle kinematische Fingerabdruck jeder Bewegungsausführung und einzigartig im Schreibdruck, in den Beschleunigungs- und Abbremsphasen sowie im rhythmischen Geschwindigkeitsverlauf. Keine Spurbewegung mit dem Stift ist hundertprozentig reproduzierbar.
Die Fische wurden in flotter Geschwindigkeit gespurt. Die Form mit dem dazugehörigen Bewegungsprofil war nicht beliebig – erst der lange Bogen für den Rücken, dann für die Brust und der dritte Strich schließt die Rückenflosse. Der Transfer auf Buchstaben erschließt sich von selbst.
Eine Schrift lässt sich nur oberflächlich betrachtet kopieren oder eine Unterschrift fälschen. Jede Wiederholung verändert das Zusammenspiel der kinematischen Parameter und damit auch die Datenanalyse. Es macht also keinen Sinn, die Zielbewegungen – meist computergenerierte Buchstaben oder Verbindungen – durch wiederholtes Üben möglichst genau anzusteuern. Abweichungen sind immer Fehler und werden korrigiert. Es klingt zunächst paradox, aber gerade die Abweichungen vom Idealziel, die durch Schwankungen bzw. Ungenauigkeiten in der Bewegungsausführung ausgelöst werden, halten das motorische Lernen in Gang.