SchreibmotorikGRUNDLAGEN – 6. Entwicklung der Schreibmotorik
Entwicklung der Schreibmotorik
Studie zur Entwicklung der motorischen Leistungen bei Kindern
Mit Hilfe der kinematischen Analyse mit CSWin wurde die Entwicklung der motorischen Leistungen in einer Primarstufe an einer Münchner Grundschule erhoben. Die Lernenden wurden ab der Einschulung über vier Jahre hinweg dreimal im Jahr getestet (vgl. Marquardt/Sattler 2010). Sie hatten die Aufgabe, ihren Namen, einen Testsatz und zwei Schlaufen zu schreiben. Weiterhin wurden Grundbewegungen wie Schraffuren mit dem Handgelenk und den Fingern, und einfache Kringel geschrieben.
Die nachfolgende Abbildung zeigt die Ergebnisse für die Schreibfrequenz als Maß für die Schreibleistung für die verschiedenen Aufgaben über die 12 Messzeitpunkte (4 Jahre) hinweg.
Die Ergebnisse für die drei Grundbewegungen (Handgelenk, Finger, Kringel) zeigen, dass die Kinder zu Schuljahresbeginn über ein gutes motorisches Potential verfügen, wobei die Fingerbewegungen vergleichsweise am schwächsten ausgeprägt sind.
Bis zum Ende der vierten Klasse steigert sich die Frequenz der Handgelenksbewegungen fast auf einen Wert von 5 Hz, wie er auch bei routinierten, erwachsenen Schreibern vorliegt. Die Bewegungen der Finger und die Kombination von Fingern und Handgelenk bei den Kringeln bleiben mit etwa 4 Hz etwas zurück, steigen aber auch nahezu kontinuierlich an.
Das vorhandene motorische Potential wird nicht genutzt
Bei den Schreibaufgaben (Name, Testsatz, Schlaufen) sind die Leistungen zu Beginn des Schulzeit deutlich schwächer als bei den Grundbewegungen. Aufgrund der höheren Anforderungen ist dies zwar zu erwarten, es überrascht aber, dass die Entwicklung während der ersten Klasse (einschließlich Sitzung 3) stagniert. Bis in die zweite Jahrgangsstufe hinein schreiben die Lernenden trotz vorhandener koordinativer Fähigkeiten bei den Grundbewegungen extrem langsam. Der Unterschied zwischen Grundbewegungen und Schreibaufgaben vergrößert sich im weiteren Verlauf. Es scheint wie wenn die Kinder die bereits von Beginn an vorhandenen Bewegungs- bzw. motorischen Kompetenzen beim Schreiben nicht ausreichend nutzen können.
Von Beginn der zweiten bis Mitte der dritten Klasse (Sitzung 4 bis Sitzung 8) verbessern sich die Kinder im Hinblick auf ihre Schreibleistungen deutlich, fallen danach aber wieder zurück und stagnieren auf einem mittleren Niveau. Der Zeitpunkt dieser Stagnation entspricht dem Zeitpunkt, an dem die Kinder die gelernte Ausgangsschrift zu einer individuellen und effizienten Schreibschrift entwickeln müssen um die Schreibgeschwindigkeit weiter zu erhöhen, was offenbar Schwierigkeiten bereitet.
Schlussfolgerungen
- Der Transfer vorhandener motorischer Kompetenzen auf das Schreiben muss im Schreiblernunterricht stärker fokussiert werden. Das lange Festhalten an der Forderung, möglichst formgenau die Ausgangsschriften zu kopieren, scheint die Entwicklung einer geeigneten Schreibmotorik deutlich zu behindern.
- Die Entwicklung einer effizienten flüssigen Schrift bedarf einer intensiveren Unterstützung als das bisher der Fall ist. Das Schreiben Lernen geht deutlich über das Ende der 2. Klasse hinaus. Gemessen an der Schreibfrequenz von flüssigem routinierten Schreiben von 4.5 bis 5 Hz haben die Kinder zum Ende der 2. Klasse erst 50% des Wegs zurückgelegt.
Literatur
Sattler, B. & Marquardt, C. (2010). Motorische Schreibleistung von linkshändigen und rechtshändigen Kindern in der 1. bis 4. Grundschulklasse. Et Reha 49. Jg, Nr. 1 und 2.