HandSchriftERFOLG – 3. Toleranzbereiche
Toleranzbereiche und Schreibvarianten im schreibmotorischen Ablauf
Kinder haben individuelle schreibmotorische Vorerfahrungen mit Buchstaben, wenn sie in die Schule kommen. Schreibanfänger wollen aber beim Schreibenlernen alles richtig machen und deshalb soll ihr Buchstabe möglichst genau so aussehen wie das Schreibvorbild. Da die Form des Buchstabens den Bewegungsablauf dominiert, wird langsam geschrieben, immer wieder mit dem Idealbuchstaben verglichen und das, was nicht der Form entspricht, nachgespurt.
Das kann dann so aussehen wie in der Collage zum Buchstaben „B“. Achtmal „B“, davon viermal mit Lücken (siehe rote Pfeile).
„So bin ich nicht zufrieden!“ Die nicht formgenauen Buchstaben werden von der Lehrkraft in Form gebracht und nachgespurt (siehe rote Pfeile). Die Korrektur wird zum negativen Feedback.
Aus bewegungsökonomischen Gründen sind Abweichungen von der Form des jeweiligen Buchstabens oder Ziffer normal und müssen auch nicht sofort gelingen. Auftretende Varianten und Differenzen zwischen den einzelnen Bewegungsausführungen fördern den Schreib-Lernprozess und sind grundlegend für das motorische Lernen. Wichtig sind dabei das korrektive Feedback und die Fähigkeit, die Toleranzbereiche der Schreibvarianten hinsichtlich der Lesbarkeit und der schreibmotorischen Kriterien bei den folgenden Spurversuchen einschätzen zu lernen.
Kinder orientieren sich beim Schreibenlernen an der Buchstabenvorlage. Die natürlichen Abweichungen, die dabei beim SchreibTraining auftreten, werden nicht als Fehler, sondern als mehr oder weniger passende Varianten angesehen. Für alle spielerisch orientierten motorisch-kinematischen Trainingsabläufe und grenzwertigen Toleranzabweichungen gilt allerdings: Der Bewegungsablauf muss stimmen und ein Toleranzbereich darf nicht zu einer Fehlform eines anderen ähnlichen Buchstabens führen.
Grenzwertige Toleranzbereiche werden beim Schreibtraining besonders beachtet und nach Möglichkeit immer motorisch-variativ mit Blick auf die Ausgangsform gelöst. Für das gewählte Praxisbeispiel des Buchstabens „d“ entwickeln die Kinder in individueller Differenzierung exemplarisch die drei Fehlformen:
- der Bogen wird übernommen und zur Fehlform „e“, der Rest mutiert irgendwann zum „l“ oder „t“; bzw. der Bogen verkürzt sich und wird zum „u“ mit Anhang.
- der Deckstrich wird immer mehr zur Lücke und das „d“ wird nicht mehr erkannt.
- der Aufstrich verkürzt sich zum „ei“ ohne Punkt, zum „a“ oder zum „u“.
Beim spielerischen Schreibtraining geht jeder Schreibübung eine ritualisierte Aufwärmphase mit verschiedenen Stiften voraus. Zunächst wird der Rahmen möglichst ohne Unterbrechung mit Rechtsschwüngen gespurt. Das kleine Blatt wird mit der linken Hand gehalten, daher die weniger schwungvollen Spurbewegungen wie auf der rechten Seite. Dann wird das gewählte Bewegungsprofil, z.B.„Doppelbogen“, motorisch-kinematisch mit verschiedenen Stiften in drei Geschwindigkeiten und verschiedenen Größen in den Rahmen gespurt. Abschließend wird das senkrechte Spurbild nach rechts gedreht. Ein Bewegungsprofil wird beispielhaft mit einem Strich zum „B“ vervollständigt, alle anderen Formen werden vom Kind mit dem entsprechenden Stift ergänzt.
Die Toleranzbereiche werden für schreibängstliche Kinder nicht mehr zum Formproblem. Auch die Angst, Buchstaben durcheinander, übereinander, kreuz und quer zu schreiben, verschwindet bei vergleichbaren Übungsformaten. Der Perfektionszwang, den Buchstaben senkrecht wie auf der Vorlage aufs Papier zu bringen, löst sich zunehmend auf.